Evangelische Stiftskirche Stuttgart

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Vor allem braucht es mehr Liebe: Stuttgarter-Innenstadt-Gedanken

Ich möchte ein paar Gedanken zu den Ereignissen in der Nacht vom 20./21. Juni teilen. Drei Bilder bzw. Sätze habe ich im Kopf.

Das erste Bild: Die Müllmänner

Als ich am 21.6. in der Sonntagsfrühe in die Kirche kam, war das erste Bild nicht die Polizei oder kaputte Scheiben, sondern einige Müllmänner.

Sie saßen sichtlich erschöpft und gezeichnet von der Arbeit in der Nacht an den Hausecken. Die Männer in Orange, die Wochenende für Wochenende hier in der Innenstadt am frühen Morgen dafür sorgen, dass der achtlos beiseite geworfene Müll wieder einigermaßen eingesammelt und abtransportiert wird. Das war mein erstes Bild. Diejenigen, die den Müll der Nacht einsammeln, damit dann am Morgen wieder alles schön aussieht. Aber Nacht und Tag gehören zusammen.


Das zweite Bild: Ein Satz eines Schülers

Einer meiner Schüler aus der Abschlussklasse drüben am Königin -Katharina Stift schrieb am Sonntagnachmittag: Was da passiert ist, ist eine Schande für unsere Jugend.

Recht hat er: Was da passiert ist, was da von jungen Menschen verbrochen wurde, ist eine Schande für unsere Jugend. Für eine Jugend, die zu 98% friedlich feiert, ja, die feiert, aber ohne jede Form von Gewalt, weil sie in einer Stadt lebt, in der fast allen Menschen klar ist, dass Gewalt keine Lösung ist. Und diese 98% werden das auch zeigen, da bin ich mir ganz sicher. Das, was geschehen ist, das war nicht die Partyszene Stuttgarts. Sondern die, die jedes Wochenende hier sind, einzeln schwach, aber in der Herde hochexplosiv. Was wir erlebt haben, war seit längerem abzusehen, wenn auch nicht in dieser geballten Form. Was diese jungen Menschen getan haben, macht fassungslos, in ihrer Brutalität und Gewalt. Ja, was geschehen ist, ist eine Schande. Danke, Stuttgarter Jugend, dass ihr das so klar sagt.


Und das dritte Bild: Schafe ohne Hirten

Als ich am Samstagabend über den Schlossplatz und am Eckensee vorbei lief, da hatte ich als Pfarrer und Seelsorger ein Bild vor Augen: Alle Plätze waren voll belegt, viel voller als es in Corona-Zeiten gut und richtig wäre.

Das Bild, das ich hatte: Ein Wort von Jesus, der einmal das Volk sah, und dann heißt es: Es jammerte ihn, denn das Volk war wie Schafe, die keinen Hirten haben. Was da in der Nacht passiert ist: Menschen wie Schafe, die keinen Hirten haben. Die orientierungslos umherirren. Die den Halt in der Familie nicht kennen, die im Leben keine Liebe erfahren haben, die in der Schule und am Arbeitsplatz verachtet wurden. Ja, ich hoffe, dass alle Beteiligten überführt werden und ihre gerechte Strafe erhalten. Das gehört dazu. Ich hoffe, dass die verletzten Polizisten, die wie die ganze Polizei in dieser Nachtschwere Arbeit geleistet haben und die unser Vertrauen verdienen, wieder auf die Beine kommen und weiterhin gern in ihrem Beruf arbeiten. Wir haben auch alle verletzten Polizisten und ihre Familien in unsere Gebete eingeschlossen. Und ich hoffe, dass die geschädigten Ladenbesitzer sich nicht abhalten lassen, weiterhin hier in der Stadt Gesicht und Präsenz zu zeigen.


Zum Schluss: Was bleibt von dieser schlimmen Nacht? Ich persönlich tue mich schwer, einfach anzuprangern. Ich möchte, so weit es geht, in die Herzen dieser so unfassbar gewaltbereiten Menschen schauen. Die Zukunft ist eine Aufgabe für unsere ganze Stadtgesellschaft, auch für uns als Kirche, für mich als evangelischen Pfarrer. Wir sind als ganze Stadtgesellschaft gefordert, der Welt ein friedliches, gewaltfreies Miteinander zu zeigen. Dazu braucht es vieles, viel mehr als bisher. In den vergangenen Jahren ist hier leider zu wenig geschehen. Und Ideen gibt es genug.


Vor allem aber braucht es eins: mehr Liebe in der Stadt.


Gekürzte und überarbeitete Fassung des Facebook-Eintrags von Matthias Vosseler vom 22. Juni 2020.

 

 

 

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